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Auf dem Weg zur Pilgerfahrt

Es ist Abend, der Vater sitzt mit seinen Freunden ganz gemütlich im Kaffeehaus und sie unterhalten sich über alles, was ihr Leben betrifft. Das ist eine sehr gemütliche Angelegenheit, die Männer treffen sich abends und rauchen ihre Wasserpfeife, trinken  Tee und Kaffee und jeder erzählt, was ihm an diesem Tag oder in dieser Woche passiert ist. In dieser Runde werden auch sehr viele Informationen ausgetauscht. Jeder berichtet von seiner Arbeit und aus seinem Fach, das kann sehr informativ sein, abgesehen davon, dass sie die Menschen beim hin- und hergehen beobachten. Die Frauen treffen sich entweder zu Hause oder die jüngeren eher im Sportclub, wo sie spazieren gehen, über die Männer reden, manchmal auch Erfahrungen austauschen, während ihre Kinder die verschiedensten Sportarten ausüben können.

Plötzlich sagt einer der vier Freunde in dieser Runde im Kaffeehaus: “ Ich überlege ob ich nicht dieses Jahr die Pilgerfahrt machen soll.“ Die Freunde sind alle im Alter zwischen 36 und 40 Jahren. Diese Idee ist für alle eine große Überraschung! Jeder schaut den anderen an ohne ein Wort zu sagen, aber mit den Augen tauschen sie viele Fragen aus. Der Freund überlegt weiter: „Ja warum denn nicht! Wir sind verheiratet, wir haben Gott sei Dank Kinder bekommen, wir arbeiten, verdienen Geld und wir sind gesund, und das ist eigentlich alles was wir brauchen! Warum sollen wir warten?“ Einer der Freunde antwortet: „Ich bin ziemlich überrascht, dass wir in unserem recht jungen Alter über dieses Thema sprechen. Mein Vater hat die Pilgerfahrt mit 60 gemacht und meine Mutter mit 62, aber nicht mit 40.“ Und so diskutieren die Freunde den ganzen Abend weiter, es ist sehr interessant und am Ende entschließen sie sich bei einer Reiseagentur noch näher nachzufragen. Man sagt bei uns wenn Gott das will, dann geht alles sehr einfach und problemlos und wenn nicht, dann spürt man das auch. Der Freund ruft am nächsten Tag bei einer Agentur an und informiert sich, und es gibt gar keine Probleme. Bis zur Pilgersaison sind es noch 6 bis 7 Monate Zeit. Sie beschließen zu viert nach Mekka zu fahren um ihre Hadsch (Pilgerfahrt) auszuführen und – völlig überzeugt von der Richtigkeit ihrer Entscheidung – informieren sie ihre Familien. Gott hat uns sehr viele schöne Geschenke gegeben, und so ist das nun das Geringste, dass man für Gott tun kann, besonders, wenn man dazu in der Lage ist. Eine Ehefrau meint zu ihrem Mann: „Ist es nicht besser, wenn wir Geld für die Kinder sparen und die Pilgerfahrt erst später machen?“ Ihr Mann antwortet: „Wir sind gesund, und die Kinder sind gesund, und es geht uns gut. Die Zukunft liegt in den Händen Gottes.“

Ein Monat nach dem anderen vergeht, und die Freunde sind mit dem Alltag beschäftigt. Doch die Zeit der Pilgerfahrt rückt näher. Sie entscheiden sich für ein Treffen mit einem Imam oder Sheikh, der sie über das Thema informieren kann. Der Imam lehrt sie, dass die erste Vorbereitung für diesen Besuch seelisch ist: man muss von innen bereit sein die Pilgerfahrt zu machen. Die Freude, das Haus von Allah zu besuchen, muss im Herzen sein. Dies kommt vor allem durch Lesen im Heiligen Buch oder in Büchern über die Pilgerfahrt. So kann man sich am besten vorbereiten. Bevor man nach Mekka fliegt, muss man die passende Kleidung kaufen. Diese Kleidung besteht nur aus zwei großen, weißen Tüchern, die nicht genäht sein dürfen. Das sind genau dieselben Tücher, in denen die Toten eingewickelt werden. Unter diesen Tüchern darf man  nichts tragen und auch nichts darüber. Alle Menschen sind gleich und in einer Farbe: Weiß. Das bedeutet man fliegt hin und man ist bereit das alltägliche Leben zu verlassen, um sich mit dem Lieben Gott zu treffen. Man fliegt hin, lässt die ganze Welt hinter sich und konzentriert sich nur auf dieses Treffen mit Allah. Man ist wie ein neugeborenes Kind frei von allem, außer zwei Tüchern, mit denen man sich bedecken kann. Das bedeutet, dass man auf alles Schöne und Feine verzichtet, um sich nur auf dieses Treffen zu konzentrieren. Die Frauen dürfen ihre langen Kleider tragen, auch in Weiß. Das Gesicht und die Hände müssen sie frei lassen, das Gesicht darf nicht mit einem Schleier bedeckt werden. Das allerwichtigste, das man tun muss, bevor man nach Mekka fliegt, ist, sich zu überlegen, mit wem habe ich Streit gehabt. Diese Menschen muss man vorher anrufen und fragen, ob sie noch böse sind oder nicht. Normalerweise, wenn die Leute wissen, dass man nach Mekka fliegt, dann wird sofort alles vergessen und wenn der andere das nicht mitmacht, dann hat der Pilger wenigstens seine Aufgabe erledigt und angerufen. Der Imam hat geredet und geredet, und die Freunde versuchen alles im Kopf zu behalten. Er hat ihnen genau den Ablauf der Pilgerfahrt erzählt und sie auch gewarnt vor der „Steinigung des Teufels“, weil sie meistens mit Toten verbunden ist.

Der Vater fährt nach dem Gespräch mit dem Imam zurück nach Hause und bewegt alles in seinem Herzen, was er gehört hat. Es ist nicht einfach, was man da alles vorbereiten muss. Es ist aber schön, wenn man es schaffen kann, besonders Frieden mit allen Menschen zu schließen und zu halten. Das ist bestimmt das Schönste, was man im Leben erreichen kann. Der Imam hat gesagt, von dem Augenblick der Entscheidung eine Pilgerfahrt zu machen, ist man auf dem Weg  nach Mekka und wenn der Pilger vor oder während der Pilgerfahrt stirbt, dann wird er als Pilger im Himmel aufgenommen. Die Toten während der Pilgerfahrt werden sofort vor Ort beerdigt, in Mekka oder Medina. Das ist für uns Muslime was ganz besonderes. Als der Vater an die Möglichkeit denkt, dass er nicht wieder nach Hause kommen könnte, gehen ihm  die verschiedenen Gedanken durch den Kopf: wie soll es weitergehen? Wer kriegt was? Wer passt auf die Kinder gut auf? Was macht die Mutter und die Frau? Er redet mit seiner Frau darüber und die Frau antwortet ganz ruhig: „Willst du barmherziger sein als der liebe Gott, der uns alles geschaffen hat? Mach dir nicht so viele Gedanken! Der uns geschaffen hat, der wird immer für uns sorgen, und du kommst wieder. Wir haben noch vieles gemeinsam zu tun.“

Überall trifft der Vater viele Menschen und sie gratulieren ihm alle zur bevorstehenden Pilgerfahrt und bitten ihn, dass er für sie in Mekka die besten Wünsche ausspricht. Man sagt, in Mekka ist man dem Lieben Gott ganz nah. Dort ist die Verbindung ganz eng, deshalb kann man alles wünschen, was man möchte, für sich selber und auch für seine Mitmenschen. Die Wünsche sind so zahlreich, dass er eine Liste geschrieben hat, damit er nichts vergisst. Zu Hause kommt das Telefon nie zur Ruhe. Jeder ruft an und wünscht alles Gute für die Pilgerfahrt. Der Koffer ist nicht voll. Man nimmt nur diese Tücher mit und  Medikamente für alle Fälle. Sonst nichts. Das ist sehr einfach. Wie gesagt das wichtigste ist, dass man auf alles verzichtet.

Der Vater denkt an die frühere Zeit, als die Pilger aus allen Ecken der Welt zu Fuß nach Mekka gekommen sind. Das hat Monate gedauert und die Karawanen haben vieles unterwegs erlebt. Es war ganz normal, dass viele Menschen unterwegs gestorben sind, und dieser Gedanke ist immer noch in seinem Kopf. Wer nach Mekka fliegt, muss für alles bereit sein. Es war aber früher viel härter und gefährlicher. In Ägypten hat man sich damals auf dem Platz der Zitadelle getroffen. Das war das Zentrum von Alt Kairo. Dort haben die Pilger sich versammelt, man hat sie verabschiedet mit Singen und Tanzen und es wurden viele Fahnen geschwenkt. Auf dem Land wird bis heute die Fassade des Hauses mit dem Transportmittel bemalt: Schiff oder Flugzeug.  Damals mit einem Kamel. Das ist eine sehr große Ehre für die ganze Familie.

Der Vater ist nun bereit für seine Pilgerfahrt und er freut sich darauf. Er verabschiedet sich von der Frau und von den Kindern, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen, und er hat den Kindern versprochen, wenn er zurückkommt, wird er ihnen alles, was er erlebt hat ganz ausführlich erzählen…

Ziad Anwar

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